ABOUT

ARTIST STATEMENT

Roman Thomas

Bei meinen Fotografien spielt der urbane Raum im Kontext zum menschlichem Individuum eine sehr zentrale Rolle. Es ist dieser Kontrast zwischen einer Millionenstadt und der menschlichen Einsamkeit des Individuums in unserer aktuellen Gesellschaft, der mich immer wieder aufs Neue fasziniert! Auf meinen vielen Streifzügen durch die Metropolen finden mich diese besonderen Orte. 


In meinen Bildern möchte ich keine völlig neuen „Räume“ schaffen, sondern mit dem uns im Alltag umgebenden Raum interagieren. Meine Lieblingsorte sind meist voller Menschen und ein fester Bestandteil des urbanen Lebens. Doch durch die Art wie ich diesen Ort sehe und fotografiere, wirken sie eher wie ein Traumbild, eine Kulisse, haben etwas Kühles und Distanziertes, wirken wie ein verborgener Ort in unserer Seele.


Um dies atmosphärisch herauszuarbeiten, bediene ich mich auch der digitalen Bildbearbeitung. Dabei verändere ich aber nicht den fotografierten Raum, sondern nur Teile und Inhalte und schaffe so kleine „Fehler“ in der objektiven Wahrnehmung. Ich sehe das als künstlerisches Gestalten an und nicht als Abbilden einer objektiv richtigen Realität. Die Werke folgen einer strengen Komposition und durch diese nachträgliche Anpassung verändert sich die vermeintliche objektive Realität. Ich erforsche in meinen Bildwelten das Authentische und Nichtauthentische, des Gleichzeitigen im des Ungleichzeitigen, die Anwesenheit und Abwesenheit, das Berührbare und Unberührbare. 


Um dies noch stärker zum Ausdruck zu bringen, arbeite ich auch nicht mit konventionellem glänzendem Fotopapier und Glas vor den Bildern. Meine Großformate lasse ich ausschließlich auf mattem Fotopapier drucken und präsentiere sie pur im Rahmen ohne Glas. Das Aufheben der Distanz zwischen Bild und Betrachter lässt die Grenzen der Wahrnehmung verschwimmen: was ist Bild, was ist Raum, wo stehe ich als Betrachter – und wo sehe ich mich. Durch diese Aufhebung der Distanzierung, erzeuge ich eine unglaubliche Tiefe und etwas Malerisches in meinen Bildern. Dies, kombiniert mit den großen Formaten, hat eine unglaubliche Sogwirkung auf den Betrachter. 

Die Freiheit der eigenen Imaginationen, der Assoziationen und der Emotionen liegt somit wieder individuell im Zugang des jeweiligen Betrachters.


In my photographs, urban space plays a very central role in the context of the human individual. It is this contrast between a city of millions and the human loneliness of the individual in our current society that fascinates me again and again! On my many forays through metropolises, these special places find me. 

In my pictures I don’t want to create completely new „spaces“, but interact with the space that surrounds us in everyday life. My favourite places are usually full of people and an integral part of urban life. But because of the way I see and photograph this place, they seem more like a dream image, a backdrop, have something cool and distant, seem like a hidden place in our soul.

To bring out this atmosphere, I also make use of digital image processing. However, I do not change the photographed space, but only parts and contents and thus create small „errors“ in the objective perception. I see this as artistic creation and not as the depiction of an objectively correct reality. The works follow a strict composition and through this subsequent adjustment the supposed objective reality changes. In my pictorial worlds I explore the authentic and the inauthentic, the simultaneous and the dissimilar, the presence and absence, the touchable and the untouchable. 

To express this even more strongly, I do not work with conventional glossy photographic paper and glass in front of the pictures. I have my large formats printed exclusively on matt photo paper and present them pure in the frame without glass. The removal of the distance between image and viewer blurs the boundaries of perception: what is image, what is space, where do I stand as a viewer – and where do I see myself. By removing the distance, I create an incredible depth and something painterly in my pictures. This, combined with the large formats, has an incredible pull on the viewer. The freedom of one’s own imagination, associations and emotions is thus once again up to the individual viewer.

HIDDEN PLACES | 2022

Alexander Leinemann Kunsthistoriker
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sprengel Museum Hannover

Typologien einer alltäglichen Einsicht


Eigenbezogene Bestätigung

Eine der größten Errungenschaften der Fotografie ist ihre Schnelligkeit. Innerhalb der Jahrhunderte weiterentwickelt und zu höchster Präzision herangeführt, gehört der fotografische Schnappschuss heute zum Grundvokabular des Mediums. Definiert ebenjene Bezeichnung das rasche Zücken des allzeit präsenten Fotoapparates, so kommt dem dabei vorherrschenden Schaffensakt eine innewohnende und von unterschwelliger Vehemenz befindliche Haltung zu Teil. Diesem Benehmen obliegt im Moment der Durchführung unweigerlich und auf meist lautstarke Weise konkretisiert, folgende bekannte Äußerung: »Ich allein habe es gesehen!« 

Das von schnappschussartiger Manier geleitete Foto, so missionarisch es im Kontext der Vermittlung von realbefindlich ablaufenden Prozessen auch verstanden wurde, besaß seit jeher auch eine ichbezogene Tendenz des alleinigen Mitteilungsbedürfnisses. Es verwundert daher auch nicht, dass in der alltäglichen Bildschaffung der festhaltende, dokumentierende, um Klarheit gewillte und doch den Drang nach menschlich-innwohnender Bekräftigung befriedigende Schnappschuss zu einem der wesentlichsten Ausdrucksmittel der Fotografie wurde. 


Die Kunst, den Überblick zu behalten

Der rasch getätigten Aufnahme ist somit eine grundlegende Form der Gegensätzlichkeit zuzusprechen. Dennoch ist der gedacht-gegenwärtige und indessen stets vergangene Moment zum im fotografischen Bild einzufangenden Augenmerk höchster Eindringlichkeit erklärt worden. Indem aber Bewegungsabläufe sichtbar, zuvor Uneinsichtiges visualisierbar und jedes von plötzlich überkommender Relevanz bestimmte Ereignis von einer kollektiven Litanei, die den fotografischen Moment der realbefindlichen Begegnung vorzog, durchsetzt wurde, entstand ein trügerischer, am Medium sich abarbeitender Kreislauf von bis in die Gegenwart reichender Beeinflussung. Getreu dem im kollektiv-knipsenden Handeln verinnerlichten Denken, dass das nächstfolgende Foto schon irgendwie zu einer ganzheitlichen Klarheit führen werden wird, ist eine unüberschaubare und von wenig selektiver Betrachtung bedingte Bilderflut das unumgängliche Resultat geworden. In der immerwährend um Authentizität bedachten Wiederholung gefangen, wurde das dem Moment unterstellte Foto somit zum Träger einer erhofften und doch niemals wiederkehrenden Präsenzvermutung. Im Glauben an eine mutmaßlich bestehende Möglichkeit, durch Detailgenauigkeit, Schnelligkeit und der stets wiederholbaren Abfolge, eine Wiederkehr des Vergangenen einsichtig werden zu lassen, führte dieses hoffnungsvolle Begehren zu einer Reflexion, die dem Foto bereitwillig die Eigenschaft zubilligte, ein Abbild von realbefindlichen Einsichten präsentieren zu können. 

Ein Foto wird jedoch niemals die Realität vollends abbilden oder das unumgänglich Unfassbare eines Moments in bildimmanente Form überführen können. Erst ein weitaus umfassender und sich fern der bekannten Bereiche einzuordnender Eingriff auf künstlerischer Ebene ist dazu in der Lage, Momente der fotografischen Eindringlichkeit zu initiieren, die das Momenthafte auf eine ungeahnt gegenwärtige Ebene verlagern und zu Momenten von anwesender Bedeutsamkeit werden lässt.


Wenn Momente zur gegenwärtigen Bestimmtheit werden 

Der deutsche Künstler Roman Thomas nutzt die Fotografie auf unterschiedlichste Weise.

Seine großformatigen Arbeiten fordern den Betrachtenden heraus und lösen bisweilen dessen vorherrschende Betrachtungsroutine auf. Aus wahrnehmungsbedingt etablierter Starrheit und auf monoperspektivischer Ebene stets erhoffter Zugänglichkeit, erfolgt eine durch die Bilder geschaffene Verlagerung von teils kritisch anzumerkender Konfrontation. Roman Thomas Bilder beinhalten immer wieder ersuchte, gefundene und fotografisch festgehaltene Individuen. Ebendiese befinden sich dort, wo der Mensch seine architektonischen und von der darauffolgend agierenden Gesellschaft frequentierten Spuren hinterließ. An diesen teils bekannten und bildlich vorgemerkten Orten interveniert der Künstler mit seiner Fotografie, indem er das, was imaginäre Verortung und Verinnerlichung ermöglicht, verrückt. Das, was der Mensch zur Ein-, Aus- und Umgrenzung seines zueinander und doch voneinander getrennt fungierenden Zusammenlebens auf begrenztem Raum erschaffen konnte, wird in den großformatigen Fotografien zum Akteur einer umfassenden und doch stillen Vermittlung. Arbeiten wie »Whitby Street« (2017), »Two Towers« (2017) oder »Steps to Heaven« (2017) bilden zunächst zwar allzu bekannte Orte in bildlich einzusehender Form ab. Der vorrangige Schein des Bekannten trügt jedoch, obliegt all diesen Aufnahmen eine zwischen Vorstellung und Realität befindliche Kluft, die ein erhofftes Wiedererkennen sofortig torpediert. Die großformatigen Arbeiten des deutschen Künstlers präsentieren unterschiedliche und doch zueinander ähnlich zu bezeichnende Bildsituationen, die den jeweiligen Betrachtenden mit der Einsicht konfrontieren, dass der fotografisch geschaffene Bildraum zwar auf realbefindlich Existierendes verweist. Das, was jedoch Aufnahmen wie »Whitby Street« (2017) offerieren, ist die zum Bild gewordene Erkenntnis, dass der fotografisch-orientierte Blick und die Beharrlichkeit des Künstlers zu einem Kunstgegenstand geführt haben, dessen Bildlichkeit eine einmalige und allein für sich stehende Materialisierung darstellt. Aus der Realität wurde eine im Bild fortwährende Wirklichkeit geschaffen, die dazu im Stande ist aufzuzeigen, dass die Eindringlichkeit der großformatigen Aufnahmen nicht allein im Aspekt der außerhalb befindlichen Wiedererkennung, sondern in der innerspezifischen Erkenntnis fungieren, einen Ort einsichtig gemacht zu haben, der intuitiv gedacht, wahrgenommen und zum Foto überführt werden konnte.  

Roman Thomas fokussiert sich innerhalb seines künstlerischen Portfolios jedoch nicht nur auf das große, sondern auch auf das kleine Format. In ebendiesen kleinformatigen Arbeiten nutzt der Künstler das von ihm bereitwillig Wahrgenommene zur Initiierung einer Verlagerung, die nicht nur zum Ziel hat, der grundlegenden Erwartungshaltung gegenüber dem fotografischen Bildgegenstand abermalig entgegenzuwirken. Die kleinformatigen Fotos, die das Ergebnis des alltäglichen, mit Hinzunahme der Kamera befindlichen Blickes des Künstlers auf seine ihn umgebende Wirklichkeit sind, werden im selektiven Auswahlprozess zu Initiatoren einer bekannten und doch ungewohnten Rezeptionssituation. 

In Typologien, die aus vier kleinformatig-einzelgültigen Aufnahmen bestehen, konkretisiert der Künstler ein in sich geschlossenes Zusammenspiel von Vergangenheit, Gegenwart und bedingender Zukunft. Das eigentlich Ungleichzeitige, das in Form von aufeinanderfolgenden Momenten seinen Weg zur in den Fotos befindlicher Materialisierung erfuhr, ist von nun an in gegenwärtiger Gleichzeitigkeit zugegen. In herrschender Fixierung gesetzt, sind die zueinander geführten Fotografien dazu in der Lage, eine Momenthaftigkeit zu initiieren, die fern der in den Bildern selbst vermuteten Abbildhaftigkeit ebendieser nun stattzufinden vermag. Nicht mehr die Betrachtung von vergangenen, sondern die durch Verknüpfung geschaffene Herstellung von gegenwärtiger Eindringlichkeit ist die für den Betrachtenden vorzufindende Folge der typologischen Präsentationsform.  


Die Typologie als gleichzeitig-abwägendes Seherlebnis

Für das Medium der Fotografie ist die typologische Präsentationsweise von gravierender Bedeutsamkeit gewesen. Die Möglichkeit des vergleichenden Sehens, die zuvor bisweilen der kuratorischen Willkür ausgesetzt war, wurde zum festen Bestandteil des jeweiligen Werkes. Ähnlichkeitsbekundungen, die anfangs außerhalb der Hand des Künstlers lagen, konnten prinzipiell verinnerlicht, intentionell verhandelt und letztendlich zum werkimmanenten Sehauftrag für den jeweiligen Betrachtenden gemacht werden. Ein in sich geschlossener und von überkommender Gleichzeitigkeit bestimmter Bildauftrag ist zum gegenwärtigen Anschauungsgegenstand geworden. Der Betrachtende fand sich dadurch erstmalig damit konfrontiert, ein zuvor meist willkürliches, von vergleichender Manier angedachtes Sehverhalten in einem künstlerisch-gesetzten Bildbereich dezidiert ausführen zu können.  

Die ebenso gewonnene Präsentationsform, die sich auch in umfangreich genutztem Maße im künstlerischen Portfolio Roman Thomas wiederfinden lässt, schuf aus dem scheinhaft-festgehaltenen Momenthaften einen realbefindlich stattfindenden Moment eindringlicher Vergegenwärtigung. Ebendieser Moment definiert sich dabei durch den der typologischen Anbringung innewohnenden Schaffensprozess von Neuordnung, Festlegung sowie Billigung einer eigenbezogenen Limitierung. Die in der Schaffung unzähliger Fotografien erhoffte und doch zum Scheitern verurteilte Fixierung des Vergänglichen, endet meist in einer ebenso in sich begrenzten Ansammlung fotografischer Aufnahmen. Indem Thomas die Masse an Bildern selektiv verengt und in einen gegenwärtigen Kontext gleichzeitig aufeinander bezogener Kontextualisierung überführt, entsteht, von einer künstlerischen Rahmung gestützt, ein neuangedachtes Seherlebnis von gegenwärtiger und in die Zukunft bedingender Relevanz. 

Die Typologien des deutschen Künstlers sind in einer bildvergänglichen Zeit, in der ein inflationäres Übereinander von voranschreitender Frequenz das vergleichende Nebeneinander der Bilder stetig verdrängt, eine Chance, um mit Hinzunahme des allzu Flüchtigen zu Momenten zu gelangen, die kein alleiniges Bild abzubilden, sondern nur die typologischen Werke in ihrem innewohnenden Sehauftrag auszubilden in der Lage sind.

Typologies of an ordinary insight

 

Self-referential validation

One of the greatest achievements of photography is its swiftness. Developed over the centuries and brought to the highest precision, the photographic snapshot is one of the basic elements of the medium today. If this term defines the swift deployment of the ever-present camera, then the prevailing act of creation has an inherent attitude of subliminal vehemence. In the moment of execution, this behavior is inevitably subject to the following well-known statement, usually concretized in a loud manner: „I alone have seen it!“

The photo of snapshot-like manner, as missionary as it was understood in the context of the mediation of processes taking place in reality, has always also possessed an ego-related tendency of wanting to be the sole messenger. It is therefore not surprising that in the day-to-day creation of images, the snapshot, which captures, documents, seeks clarity, and yet satisfies the urge for the affirmation intrinsic to the human being, has become one of the most essential means of expression in photography.


The art of seeing the big picture

The quickly taken picture can therefore be said to have a substantial contradictory nature. Nevertheless, the allegedly present and yet always past moment has been declared to be the focus of highest urgency to be captured in the photographic image. However, by making sequences of movements visible, by visualizing what had previously been obscure, and by interspersing every event of a sudden relevance with a collective litany that preferred the photographic moment to the actual encounter, a deceptive cycle of influence extending into the present was created that worked its way through the medium. True to the thinking internalized in the collective snapping action that the next photo will somehow lead to a holistic clarity, an unmanageable flood of images conditioned by little selective observation has become the inevitable result. Caught up in the repetition that is always concerned with authenticity, the photo ascribed to the moment has thus become the bearer of a presumption of presence that is desired and yet never recurs. Believing in a presumably existing possibility to let a return of the past become visible through accuracy of detail, swiftness, and the always repeatable sequence, this hopeful desire led to a reflection that willingly granted the photo the property of being able to present an image of real insights. 

A photograph, however, will never be able to depict reality completely or to transfer the inevitable incomprehensibility of a moment into a form specific to the image. Only a far more comprehensive intervention on an artistic level, far removed from the known realms, is capable of initiating moments of photographic forcefulness that shift the momentary to an unexpectedly present level and turn them into moments of prescient significance.


When moments become momentary certainty

German artist Roman Thomas uses photography in a variety of ways. 

His large-format works challenge the viewer and at times disrupt his habitual viewing routine. Out of perception-based rigidity and from a mono-perspectival viewpoint always desired accessibility, the images create a shift of sometimes critically noticeable confrontation. Roman Thomas’s images repeatedly depict individuals who have been sought out, found, and captured in photographs. They are located where man has left his architectural traces, which are frequented by the society acting on them. In these places, some of which are well-known and visually recorded, the artist intervenes with his photography by displacing what allows imaginary location and internalization. What man has been able to create for the containment, exclusion, and enclosure of his coexistence in a limited space, what functions in relation to and yet separate from one another, becomes the agent of a comprehensive and yet silent mediation in the large-format photographs. Works such as „Whitby Street“ (2017), „Two Towers“ (2017), or „Steps to Heaven“ (2017) initially depict all-too-familiar places in a form that can be viewed pictorially. The primary appearance of the familiar is deceptive, however, as all of these photographs are subject to a gap between imagination and reality that immediately torpedoes any anticipated recognition. The large-format works of the German artist present different and yet similar pictorial situations that confront the viewer with the insight that the photographically created pictorial space refers to real existing things. What photographs such as „Whitby Street“ (2017) offer, however, is the realization that the photographically oriented eye and the persistence of the artist have led to an object of art whose imagery represents a unique materialisation. Out of reality, a permanence of reality has been created in the image, which is able to show that the forcefulness of the large-format photographs does not only function in the aspect of external recognition, but in the internal recognition of having made a place perceptible, because it could be intuitively thought, perceived and transferred to the photograph.  

Within his artistic portfolio, however, Roman Thomas focuses not only on the large, but also on the small format. In these small-format works, the artist uses what he readily perceives to initiate a shift that not only aims to once again contradict the basic expectation of the photographic image object. 



The small-format photographs, which are the result of the artist’s everyday view of the reality surrounding him, with the addition of the camera, become, in the selective process, initiators of a familiar and yet unfamiliar perception situation. 

In typologies, which consist of four small-format photographs, the artist concretizes a self-contained interplay of past, present, and conditional future. The actually non-simultaneous, which in the form of successive moments found its way to materialization in the photographs, is from now on present in simultaneity. Set in dominant fixation, the photographs brought together are able to initiate a momentariness that can now take place far from the image-like quality assumed in the pictures themselves. The consequence of the typological form of presentation for the viewer is no longer the contemplation of the past, but the creation of present urgency through interconnection.


Typology as a simultaneously deliberative visual experience

For the medium of photography, the typological mode of presentation has been of grave significance. The possibility of comparative viewing, previously sometimes subject to curatorial arbitrariness, became an integral part of the work in question. Expressions of similarity, which were initially beyond the artist’s control, could be internalized in principle, intentionally negotiated, and ultimately made the work’s immanent viewing assignment for the respective observer. A cohesive visual assignment determined by conventional simultaneity has become a present object of contemplation. For the first time, the viewer was confronted with the fact that a previously mostly arbitrary, comparative viewing manner could be carried out explicitly in an artistically set picture section.

The form of presentation gained in this way, which can also be extensively found in Roman Thomas’s artistic portfolio, created a moment of vivid realization out of the seemingly preserved instant. This moment is defined by the creative process of rearrangement, definition and approval of a self-referential limitation that is inherent in the typological attachment. The fixation of the ephemeral, sought in the creation of countless photographs and yet doomed to failure, usually ends in an equally intrinsically limited accumulation of photographic images. By selectively narrowing the mass of images and transferring them into a context of simultaneously interrelated contextualization, Thomas creates, supported by an artistic framing, a reimagined visual experience of present and future relevance. 

In a time of image transience, in which an inflationary overlapping of advancing frequency continually displaces the comparative juxtaposition of images, the typologies of the German artist are an opportunity, with the addition of the all too fleeting, to arrive at moments that no single image is able to depict, but rather only the typological works with their inherent viewing assignment are able to form.

HIDDEN PLACES | 2020

Christiane Hoffmann M.A.
Museumsleiterin und Kunsthistorikerin

Galerie Serpil Neuhaus in Gütersloh

 

Fotografie als Kunstform hat ihre große Bedeutung als selbständige Position im Kunstbetrieb u.a. der Düsseldorfer Kunstschule und dem Fotografenehepaar Bernd und Hilla Becher und der Schülergeneration Gursky, Ruff, Struth, Höfer zu verdanken. Scheinbar weg von der Modefotografie gehören das urbane Leben und die Orte in der realen Welt zu den Themen der Fotografie.

 

Roman Thomas, Sohn eines Fotografen, hat von klein auf eine intensive Beziehung zur Fotografie. Mit einer Tischlerlehre und weiter an der FOS Gestaltung, führte sein Weg beruflich in die Fotografie.

 

Heute als Fotograf für namhafte Industrieunternehmen aus dem Bereich Möbeldesign und für Architekten weltweit im Einsatz, hat Thomas schon viele Orte der Welt gesehen und mit dem Blick des Künstlers und Fotografen aufgenommen.

 

Aufgenommen im doppelten Sinn: Aufgenommen mit allen Sinnen und mit seiner Kamera. Er lässt sich auf die Orte die er besucht ein, nimmt Architektur, Menschen und Farben auf und kommt mit all diesen Elementen zu seiner eigenen Sichtweise und zu seinen Ideen. Er weiß genau, was er zeigen will. Welche Elemente an Licht und Linienführung im fertigen Bild eine Rolle spielen sollen. Wie Gefühl, optischer Eindruck und gewähltes Thema hier Eingang finden sollen.

 

Dabei kann es sein, dass eine Aufnahme die gewünschten Elemente im Zusammenspiel bereits zeigt. Es kann aber auch sein, dass viele Bilder eines Blickwinkels entstehen müssen, die zu einem konstruierten, neuen Bild verschmolzen werden. Die digitale Montage erlaubt, von einem Motiv z.B. das sich verändernde Lichtspiel und Personen, die im Laufe der Session nur in einem einzigen Bild vorkommen, in die Komposition einzubinden.

 

Das Ereignis wird zu einem Gleichzeitigen des Ungleichzeitigen, ohne dass der Betrachter dieses merken kann.

 

Roman Thomas führt so Regie in seinen Arbeiten. Die Anlage und Komposition seiner Arbeiten beschreibt er mit „Erstellung von Traumbildern“ und weniger als „Wirklichkeitsbilder eines One-Shoot“. Damit ist gemeint, dass seine individuelle Idee, seine Seherfahrungen und sein subjektives Empfinden hier die letzte Instanz für seine Arbeit bilden.

 

Die berühmte fotografische Realität als Wirklichkeitsabbild wird hier trotz aller Nähe zum Motiv und der individuellen Nacherlebbarkeit an Ort und Stelle unterlaufen. Architekturen inmitten von Metropolen, werden in Thomas Arbeiten zu flächigen, reliefartigen Bühnenbildern. Ihre Staffelung wird unsichtbar geschichtet. Die erreichte Bildwirkung, noch gesteigert durch die großformatige Entwicklung, kann man als Betrachtungssog beschreiben.

 

Menschenleere Orte wie in der Arbeit „Steps to heaven“ sind ohne die christliche Ikonografie der Himmelsleiter nicht denkbar. Bei Thomas fehlen die Menschen, nur Platzhalter ihrer Existenz, wie die abgestellten Fahrräder sind sichtbar.
Das Motiv des Aufstieges ist trotzdem für jeden Menschen verständlich. Das Bild ist wie eine Einladung den Aufstieg zu wagen, da frontal zum Betrachter ein Zebrastreifen als Einstieg ins Bild zu erkennen ist.
Hier ist ein öffentliches, architektonisch geprägtes Raumgefüge die Einladung an die Betrachterin, eine persönliche Chiffre für Lebenserfolg und Lebensstufen anzunehmen. Die Sehnsuchtsrichtung geht in dieser Arbeit nach „Oben“. Man möchte ins verdeckte Licht (durch die Reflexe des Himmels gegenläufig in der Spiegelfassade montiert) gelangen. Auch wenn von unten betrachtet die obere Ebene dunkel massiv in nicht zu entschlüsselnde Bogenformen ausläuft. Trotzdem gibt es Licht und vermutlich Helligkeit, auch wenn dieses vielleicht nur aus elektrischen Lichtquellen besteht.
Die Lesbarkeit der Arbeiten von Thomas ist immer gegeben und der Fotokünstler verwirrt die Sinne der Betrachterin nicht vollends.
Menschenleere Räume in großen Architekturen sind für Menschen aufgrund seiner Evolution immer bedrohlich oder unangenehm. Wenn die Bildrichtung aber wie in „Old House“ in Hochhausschluchten auf ein altes Backsteingemäuer aus der Vergangenheit fällt, wird die Schroffheit und das gefühlte Unwohlsein gemildert. Der überschaubare Baukörper mit den kleinen Ausmaßen ist angenehmer und heimeliger als die Riesen um ihn herum. Nur die abweisenden dunklen Fensterhöhlen brechen auch diese Heimeligkeit. Die stählernen Wolkenkratzer aus Metall und Glas, die die Straße und das Haus als Relikt einer anderen Zeit einfassen, scheinen für anderes bestimmt zu sein, als für menschliches Leben.
Der Straßenname als „Spital Yard“ zieht noch eine weitere Ebene ins Bild, die fast wie eine Ironisierung wirkt. Gefühlte Einsamkeit und aus der Zeit gefallen sein beim Betrachten der Gasse mit dem alten Haus, wird gebrochen durch den traditionellen Erwartungshorizont an ein Spital=Hospital=Krankenhaus.
Im Krankenhaus erwartet der hilfebedürftige oder verletzte Mensch Heilung, Zuwendung oder Genesung seines kranken Zustandes. Was er sieht ist aber genau das Gegenteil nämlich gefühltes Unwohlsein, Verlassenheit, Überflüssig sein. Keine Heilung nirgends. Hoffnung und der Sog in den gelben (kranken?) Linien des Weges zu bleiben.

 

Roman Thomas kennt natürlich die Ikonen der bildenden Kunst, die menschliche Einsamkeit und Verlassenheit zum Thema haben und referiert darauf.

 

Aber auch die sozialen Themen der Geschlechterverhältnisse finden in seinen großformatigen Arbeiten subtil Platz.
„Woman in Blue“ spielt mit diesen Themen. Vor einer mit Graffiti besprühten Mauer läuft eine Frau in einem violetten langen Kleid und einem gleichfarbigen Kopftuch und einem langen erdfarbenen Mantel vorbei. Auf der Wand sind vier Männerfiguren als Graffiti dargestellt. Sie sind alle überlebensgroß und undeutlich dargestellt und stehen in unterschiedlichen Positionen auf den Betrachter hingewandt. Die Farbe des langen Mantels der Frau korresponiert mit den dunklen, gedeckten Farben der Männerdarstellungen.
Die Frau läuft von rechts nach links an der Mauer vorbei. Sie hat schon 3 von 4 dargestellten Männern passiert. Die Männer sind als Halbfiguren dargestellt. Sie alle schauen zu Boden. Ihre jeweilige Haltung erinnert an die Haltung von im stehen urinierenden Männern. Allerdings ist ihr Tun nicht erkennbar. Die Welt der Männer ist unentschlüsselbar und auf Spekulation angewiesen.
Offensichtlich entstammen die Männer und die Frau aus einer ähnlichen Schicht von Menschen, die ähnliche Kleiderfarben bevorzugen, auch wenn das violett der Unterkleidung der Frau leicht heraussticht. Violett in der Farbsymbolik mit Besinnung und Demut gedeutet, lässt hier die Raum für Interpretation.
Trotzdem bleibt die Assoziation an arme oder untere Gesellschaftssichten, eventuell sogar an Personengruppen mit einem nichtchristlichen Migrationshintergrund, da Kopftuch und Hautfarbe der Frau und Physiognomien der Männer dies nahelegen.
Ihre unterschiedlichen Haltungen sind nicht aufeinander bezogen. Trotzdem wirken die Frau und die Männerdarstellungen wie Chiffren der jeweiligen Rollenbilder und Gesellschaftspositionen. Die Frau ist durch ihre Kleidung endindividualisiert. Sie ist die einzige lebendige Person im Bild. Die Männerdarstellungen sind statisch, aber auf den Betrachter hin dargestellt. Man sieht sie von vorne oder im Profil. Ihr jeweilges Tun ist nur angedeutet, weil die Hälfte der Gestalten fehlt. Trotzdem wirkt diese Konfrontation mit dem Betracher. Die Frau kreuzt ungerührt quer das Bild und nimmt weder von den Männergrafittis noch vom Betrachter Notiz.
Die Erfahrungswerte des Sehens markieren aber für die Männer ein Verhalten, das in der Öffentlichkeit auch als Machtdemonstration gedeutet werden kann. Auch wenn es sich um ein mögliches Fehlverhalten (öffentliches Urinieren) handelt. Dieses ist nur Männern oder Kindern in der Öffentlichkeit erlaubt. Frauen ist die Verrichtung ihrer Notdurft nur versteckt und nicht in aller Öffentlichkeit möglich.
Die Sphäre der Männer ist durch die Anlage als Bild auf der Mauer und durch ihre Überlebensgröße insgesamt höher angelegt, als die der Frau auf dem Gehsteig. Sie ist die Basis und der untere Anker des Bildes.
Über ihr als Basis und der Grafitti-Männer, als menschlichen Ebenen angelegt, findet sich horizontal durch die Mauerkrone geteilt, eine andere Ebene. Diese ist durch Architektur in Form von modernen Wohnblocks gestaltet. Geometrische Formen wie Rechtecke und Quadrate der Fenster und Mauerblöcke strukturieren die Architektur. Dort sind Wohneinheiten zu vermuten. Die Bewohner selber sind aber nicht zu erkennen, nirgends. Wieder nur Chiffren von menschlichem Leben. Keine Menschen nirgends, nicht als Bild oder als Silhouette.
Und erst noch höher, im oberen 1/3 des Bildes kommt der Himmel zum Vorschein. Ein kleiner Fleck ist mittig als bedeckter Himmel zu erkennen. Er spiegelt sich vielfach gebrochen in den Fensterscheiben der Wohnblocks. Kasernierter Naturraum und menschliche Existenz am Boden. Einsam und in Geschlechterverhältnisse eingesperrt.
So finden sich dieThemen Einsamkeit, Macht und Energie, aber auch Verständnis und Motivzitate von anderen Künstlern im Werk von Roman Thomas wider.

 

Die Wahrheit des stattgefundenen ist Basis der Arbeiten von Roman Thomas. Darüber hinaus ist die Unsichtbarkeit von Montagen und das Gleichzeitigen des Ungleichzeitigen bei Roman Thomas zu finden.
Diese Ideen der Gestaltung kommen auch bei dem berühmten Fotografkollegen Andreas Gursky in dessen Arbeiten vor. Komposition und Verändern, die nicht sichtbar scheinbar organisch in den Bildern von Thomas vorkommen, machen die Arbeiten spannend. Auch die Flüchtigkeit der Motive, die oft schon nach der Fotoerstellung von Roman Thomas nicht mehr Bestand haben, da sie kontinuierlich verändert werden. Nur das Motiv und die Begegnung mit dem Fotografen machen Thomas Bilder einzigartig.

 

War es bei den Bechers noch das Dokumentarische der kurz vor dem Abriss stehenden Industrieanlagen, die Arbeitswelt und Raum elementar geprägt hatten, ist es bei Thomas das Flüchtige im 21. Jahrhundert.
Die Graffitiflächen die entstehen und verschwinden, oder die immer wieder neu gestalten Schaufensterdekorationen. Das Flüchtige wird im Foto festgehalten und so zur Chiffre einer Zeit. Diese Elemente werden von Thomas betont. Sie können farbintensiver oder gedämpfter in der Gesamtkomposition eine herausragende oder eine zurückgenommene Rolle spielen. Wie das der Künstler entscheidet, bleibt das kompositionelle Geheimnis des Fotografen.
Bei der Betrachtung von Roman Thomas Arbeiten bleibt das Gefühl Ausschnitte aus einem ganzen Film oder eines Stadtlebens zu sehen. Real und verständlich kunstvoll und etwas kühl und distanziert, das macht die Faszination der Arbeiten von Roman Thomas aus.
Die konzeptuelle Nähe und das Verändern von Realität durch fotografisch-künstlerische Mittel lassen Roman Thomas durchaus in der Tradition einiger Becher-Schüler und der Düsseldorfer Photoschule stehen, ohne dass er dort seine Ausbildung genossen hat.
Künstlerisches Verständnis, fotografisches Auge und die Lust Komposition und Strenge in einem realen gefundenen Motiv umzusetzen machen Roman Thomas Arbeiten aus.

HIDDEN PLACES | 2019

Laudatio von Manfred Zimmermann
Industriephotograf und Prof. (RS)

Kunstverein imago in Bissendorf/Wedemark.

 

Meine Damen und Herren, 

 

ich wurde gebeten, an dem heutigen Tage eine Laudatio für Roman Thomas zu halten. 

 

Tatsächlich ist es jedoch so, dass es keine wirkliche Laudation sein wird – nicht, weil du noch sehr jung bist, sondern weil Laudatio bedeutet, jemanden zu loben. Ich glaube, das brauchen wir an dem heutigen Tag nicht, denn wir haben hier deine Bilder: Diese Bilder loben dich mehr, als ich das in Worten tun könnte. Darum, und weil wir uns beide schon sehr lange kennen, möchte ich eher eine Beschreibung über deine Arbeit geben, einen kleinen Einblick in dein Leben. 

 

 

Du bist 1975 in Celle geboren, dort zur Schule gegangen und aufgewachsen. Nach deiner Tischlerlehre hast du die Fachhochschulreife an der FOS Gestaltung erreicht – als nächster Schritt sollte das Studium zum Industriedesigner folgen. Die Ablehnung deiner dort eingereichten Mappe hatte etwas Gutes: Du folgtest deiner Leidenschaft zur Fotografie, eben dieser Fotografie, die durch deine DNA schon festgelegt war. DNA deshalb, weil der Vater von Roman Thomas bereits ausgebildeter Fotograf war und ihm somit unendlich viel mitgegeben hat. In seiner Kindheit hat Roman Thomas viele Jahre in der Dunkelkammer verbracht. Was daraus wurde, sehen wir heute hier – und das ist wirklich beachtenswert. 

 

 

Deine ersten freien Arbeiten entstanden bereits 1999 in New Mexico. Durch deine Ambitionen zum Grafischen hast du später dein Schaffensspektrum erweitert und bist seither als Fotograf und Grafikdesigner für viele namenhafte Modelabel tätig. Du widmest dich außerdem stark der Architekturfotografie, unter anderem für das Unternehmen Vitra, das international sowohl architektonisch als auch gestalterisch tätig ist. Dadurch hast du das große Glück, weltweit, etwa in New York, zu fotografieren.

 

In all diesen kommerziellen Prozessen hast du immer auch deine freien Arbeiten mit eingebunden – hier sind Aufnahmen wie diese entstanden: Diese versteckten Plätze, die Hidden Places, aber auch die 4er Serien, auf die ich später noch einmal zu sprechen komme. 

 

 

„HIDDEN PLACES“, versteckte Orte, das stimmt so nicht ganz, denn die Orte sind gar nicht versteckt. Jeder von uns kann sie sehen und trotzdem würden wir sie so gar nicht wahrnehmen. Nicht nur, weil wir andere Menschen sind, andere Augen haben. Auch nicht, weil Roman Thomas ein besonders geschultes Auge hat, sondern weil in den Motiven noch etwas ganz anderes steckt: Der amerikanische Maler Edward Hopper malte schon in den 30er und 40er Jahren seine „HIDDEN PLACES“, um die Einsamkeit der Menschen zu zeigen. Er hat im Grunde genommen nicht nur wie du, diese ganz leeren Orte gemalt, sondern meistens sind einsame Personen sichtbar, ähnlich wie in deinem Bild „WOMEN IN BLUE“. Zwischen seiner Bildsprache und der deinen besteht ein großer Zusammenhang. 

 

Geht man einmal davon aus, wie hektisch unsere Städte heute sind, mit ihren Leuchtreklamen und den abertausenden an Informationen – dann fehlt plötzlich genau diese Hektik in deinen Bildern. Nun könnte man meinen, du möchtest die Vereinsamung der Menschen in großen Städten zeigen – dabei haben deine Bilder eine so große Strahlkraft der Ruhe und Harmonie, das passt eigentlich nicht wirklich zusammen. 

 

Und dann fragt man sich, ob deine Bilder vielleicht eine Renaissance unserer selbst zeigen sollen? Übersättigt durch Leuchtreklamen und einer Informationsflut der vielen Mails, WhatsApp-Nachrichten und Facebook Posts. Vielleicht zeigen uns deine Bilder ja die Sehnsucht nach Ruhe – nach Ruhe für uns selbst. 

 

Und ich glaube, dass es bei der Betrachtung deiner Bilder tatsächlich dieses gefühlte Detail ist: Sie erzeugen ein Wohlgefühl, eine innere Ruhe. Das ist die Magie deiner Bilder.

 

 

Über die Technik deiner Fotografie möchte ich überhaupt nichts sagen, denn das ist jetzt nicht so bedeutend. Viel bedeutender ist das große Format der Werke. Sie sind nicht nur faszinierend, weil sie so schön groß sind. Steht man vor ihnen, erzeugen sie das Gefühl, den Ort betreten zu können. Und das hat nun doch etwas mit der Technik zu tun, die bei dir ausgeprägt brillant ist! Man meint wirklich, die Struktur der abgebildeten Wand mit den Fingerspitzen fühlen zu können!

Die Bilder haben eine gewisse Weichheit, nicht die knallharte Schärfe der Digitalfotografie, sie haben etwas Menschliches und ganz Außergewöhnliches.

 

Wie zum Beispiel das „OLD HOUSE“, bei dem ich übrigens sofort an den Künstler Gerd Winner und seine Motive der Docklands dachte. Obwohl dein Motiv im Finanzdistrikt von London aufgenommen wurde, erinnert die Farbgebung der Häuser und die gelbe Markierung der Straßen sehr an die der Docklands. 

 

Das ist im Übrigen auch so ein Bild – es ist kein Mensch zu sehen und trotzdem berührt es einen. Man spürt die Versuchung, dort einen Schritt hinein zu wagen und mal links oder rechts um die Ecke zu gehen.

 

 

Ähnlich ist es bei dem Bild hinter mir, der „WHITBY STREET“. Das ist eine ganz faszinierende Aufnahme. Ein Teil des Bildes ist eigentlich kein Bild,  sondern ein metallischer Spiegel, der die Kunstwerke in seiner Umgebung reflektiert. Roman hat mir gesagt, dass diese anthrazitfarbene Wand inzwischen ganz anders gestaltet ist – also im wahrsten Sinne des Wortes ist diese Aufnahme ein Unikat, das sich nie wieder in dieser Form fotografieren lässt.

 

 

Betrachten wir nun das Bild ganz hinten links, „WOMEN IN BLUE“. Dieses Bild erinnert ganz stark an den Maler Edward Hopper. Es ist faszinierend, dass dort zum einen ein realer Mensch fotografiert, zum anderen andere Menschen gemalt wurden. Und diese gemalten Menschen zeigen uns eine große Einsamkeit. Obwohl die einen gemalt sind und die andere Person real ist, wirkt dieses Bild so unwirklich, als ob es das so gar nicht geben kann. Es hat eher etwas von einem Gemälde, wobei es total unbedeutend ist, ob es Fotografie oder Malerei ist: Deine Bilder kommen einem oft so vor, als seien sie fotorealistisch gemalt. 

 

Genau so ist es bei dem Bild „STEPS TO HEAVEN“, bei dem der Betrachter das Gefühl hat, direkt die Treppen hochgehen zu können. Diese Magie des Bildes lässt einen wünschen, es zu begehen und zu begreifen, herauszufinden, was da oben am Ende der Treppe wohl ist.

 

Oder bei dem Bild „UNITED COLORS“, der Farbcodierung aus Paris. Ein Bild, was stark zwei geteilt ist durch das Objekt auf der linken Seite. Es wirkt wie ein farbiger QR- oder Barcode, mit dem man ein ganzes Leben, eine ganze Gesellschaft abscannen kann. 

 

Deine Werke geben uns so viele Fragen auf, genau das macht es so interessant, sich mit ihnen zu befassen.

 

Neben den „HIDDEN PLACES“ komponiert Roman Thomas ja seit vielen Jahren auch die 4er Serien. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, begibt er sich auf die Suche nach einem neuen Motiv. In den 4er Serien werden also Situationen und Orte gezeigt, die ihm zufällig über den Weg gelaufen sind. Und am Jahresende extrahiert er aus den vielen tausend Bildern Paare und Gruppen, die eine ähnliche Formensprache, eine ähnliche Symbolkraft haben, die zusammengesetzt wieder ein eigenes Bild ergeben.

Und das ist etwas ganz Spannendes – denn alle diese Bilder haben unterschiedliche Bezugsorte: Potsdam, Paris oder New York.

 

 

Aber sie haben immer eines gemeinsam, eine gemeinsame Formensprache, die durch Roman Thomas geprägt wurde. Dadurch entsteht so ein neues Bild, ein europäisches oder weltliches Bild,  ohne einen expliziten Ort zu haben.

 

Ich hatte das vorhin schon einmal gesagt, dass deine Bilder eine große Ausstrahlungskraft haben. Deine Bilder sprechen für sich. Und ich kann dir für deine berufliche Zukunft nur noch mehr Erfolg wünschen. Du wurdest 2018 im Bund der bildenden Künstler und Künstlerinnen (BBK) aufgenommen. Dazu gratuliere ich dir. Ich kenne dich seit vielen Jahren, und du wächst von der kommerziellen Fotografie immer mehr in den künstlerischen Bereich. Das freut mich sehr, und nur nebenbei bemerkt: Edward Hopper hat zwar Illustration und Malerei studiert, aber er konnte die ersten 22 Jahre gar nicht davon leben. Er arbeitete als Illustrator in einer Werbeagentur und verkaufte erst 1942 sein erstes Bild für 250 Dollar. Das entspricht ungefähr dem Preis deiner Bilder heute. Daher wünsche ich dir, bei aller Wertschätzung der Kunst, dass du auch kommerziellen Erfolg hast mit deinen Bildern und vielleicht eines Tages sogar davon leben kannst. Alles Gute für deine Zukunft und den Zuhörern vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

 

 

Prof. (RS) Manfred Zimmermann

 

Wiedergabe des Audio-Mitschnitts vom 27. Januar 2019